Interpellation: «Parlamentarische Untersuchungskommission zum Neubau des Biozentrums – Stellungnahme des Regierungsrates»

Anstelle einer Stellungnahme zum PUK-Bericht, welche offensichtliche Differenzen zwischen Parlament und Regierung hätten vor Publikation des selbigen bereinigen können, und anstelle einer an den PUK-Bericht angehängten Stellungnahme, welche in die Debatte hätte einfliessen können, hat der Regierungsrat am Tag vor der Ratssitzung vom 19. Oktober 2022 seine Stellungnahme an alle Ratsmitglieder verschickt und anschliessend im Rat verlesen lassen. Eine weitere inhaltliche Stellungnahme oder Diskussion auch zu den Voten fand bedauerlicherweise seitens des Regierungsrats nicht statt, obschon gemäss Aussage der vorlesenden Regierungsrätin an dieser Stellungnahme seit Wochen oder Monaten gearbeitet wurde und der Regierungsrat in seiner Stellungnahme darauf verweist, dass er bisher auf eine Stellungnahme verzichtet hatte, um dann die Debatte im Grossen Rat zu führen. Im Anschluss haben zwei Regierungsratsmitglieder gegenüber einer Zeitung ausführlicher als im Grossen Rat selbst Stellung genommen.

Es ist zu befürchten, dass die knappe Stellungnahme der Regierung und die medialen Aussagen von Regierungsratsmitgliedern die umfangreichen Vorhaltungen der PUK nicht ausreichend beantworten, viele Fragen im Raum stehen lassen und so auch das Vertrauen in den Regierungsrat untergraben könnten.

Deshalb bittet der Interpellant höflichst um die Beantwortung der folgenden Fragen betreffend die Stellungnahme des Regierungsrats zum PUK Bericht über das Biozentrum:

  1. Abschnitt «Grundsätzliches»
    1. Wann haben die Mitglieder des Regierungsrats den Entwurf zum PUK-Bericht zur Stellungnahme erhalten?
    2. Warum hat der Regierungsrat im Gegensatz zu anderen Betroffenen ausser eines Verweises auf angebliche Fehler sowohl auf eine schriftliche Stellungnahme zum PUK-Berichtentwurf als auch auf eine mündliche Anhörung verzichtet?
    3. In seiner nun vorliegenden Stellungnahme weist der Regierungsrat viele Feststellungen zurück oder erklärt sie als falsch: Warum hat der Regierungsrat dies der PUK Biozentrum nicht während des rechtlichen Gehörs auseinandergesetzt?
    4. Wann hat der Regierungsrat den verabschiedeten Bericht der PUK Biozentrum zur Stellungnahme erhalten? Hat sich dieser in wesentlichen Teilen vom zuvor zugestellten Berichtsentwurf unterschieden?
    5. In der Grossratsdebatte verwies der Regierungsrat auf die mehrere Wochen bis Monate dauernde Vorbereitung der Stellungnahme: Wann hat der Regierungsrat die Ausarbeitung beschlossen und welche Verwaltungseinheiten und ggf. externen Mandatierten waren damit betraut?
    6. Welche Kosten sind dem Lenkungsausschuss bzw. dem Projekt Biozentrum für die Kommunikationsberatung für die Stellungnahme zum PUK-Bericht seit März 2022 entstanden?
    7. «Die öffentliche Debatte zu einer parlamentarischen Untersuchung ist nach Überzeugung des Regierungsrats nicht über Medienkonferenzen zu führen, sondern hier, im Parlament.», argumentierte der Regierungsrat in seiner Stellungnahme: Warum hat der Regierungsrat die eigene Analyse nicht dem Grossen Rat zur Beratung vorgelegt, sondern an einer Medienkonferenz am 28. September 2021 präsentiert?
  2. «Zurückzuweisende Feststellungen»
    1. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellung 7 betreffend Aufsicht (S. 56 PUK Bericht), wurde doch noch Ende 2016 vom Regierungsrat davon ausgegangen, dass das Projekt unter Budget abschliessen würde (S. 84)?
    2. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellung 19 und 20 (S. 85), wurde doch zum Beispiel mit dem Projektänderungsantrag 117 explizit an der Qualität zugunsten der Kosten gespart?
    3. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellung 34 (S. 105), insbesondere eingedenk der Audits beim Generalplaner und der Baukomissionssitzung vom August 2016 (S. 164)?
    4. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellung 35 (S. 107), wobei doch selbst damalige Mitglieder der Projektorganisation (bspw. der damalige Verwaltungsdirektor) die mangelnde Planung und Projektorganisation bemängeln?
    5. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellung 57 (S. 135), wurde doch der Universitätsrat gemäss seiner eigenen Protokolle erst ab 2018 über die Schieflage im Projekt informiert und hat erst im August 2019 das Ausmass des Debakels erfahren (S. 111)?
    6. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellung 67 (S.149) und wie schätzt der Regierungsrat die Leistung des Lenkungsausschusses bezüglich seiner im Pflichtenheft festgelegten Aufgaben: Aufsicht strategische Ausrichtung, Genehmigung Meilensteine, Entscheid über wes. Projektänderungen und Reservenbewirtschaftung?
    7. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellungen 80 und 82 (S. 179 bzw. 182), wurde doch sogar noch im Frühling 2019 von einem Baukommissionsmitglied moniert, dass die Baukommission ihre Kompetenzen überschritten hat (S. 140)?
    8. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellungen 31 und 72 (S: 102 bzw. 154)?
      1. Handelte es sich bei den 238 Millionen um eine politische Zahl und inwiefern wurde dies dem Grossen Rat oder seinen Kommissionen 2012 offen dargelegt?
      2. Inwiefern wurde im Bericht an die Finanzkommissionen 2019 offengelegt, dass gemäss FHG-BL ohne den Finanzierungsdeal ein Parlamentsbeschluss nötig würde?
      3. Hat sich der basel-städtische Regierungsrat für eine rechtskonforme und gemäss FHG-BS mögliche Finanzierung der Mehrkosten eingesetzt und die Finanzkommission entsprechend informiert, warum dies aus sich des Regierungsrats nicht möglich sei?
      4. Ist der Regierungsrat der Ansicht, dass die Geschäftsprüfungskommission 2018 adäquat über die Lage informiert wurde, sodass aus deren im Juni 2019 publizierten Bericht ein akkurates Bild über die Situation entstand?
      5. Hat der Regierungsrat, namentlich auch die Vorstehenden des Bau- und Verkehrsdepartement, des Erziehungsdepartements und des Finanzdepartements in der Ratsdebatte vom 11. September 2019 den Grossen Rat betreffend des Biozentrums akkurat und transparent über den aktuellen, ihnen bekannten Stand insbesondere der Mehrkosten informiert (GR-Vollprotokoll: https://grosserrat.bs.ch/media/files/ratsprotokolle/vollprotokoll_2019-09-11.pdf)?
  3. Finanzrechtlicher Sachverhalt
    1. Was ist die rechtliche Grundlage für eine Vorfinanzierung der Mehrkosten durch die Universität?
    2. Gemäss Grossratsbeschluss vom 6. Februar 2013 werden die betrieblichen und finanziellen Folgekosten des NBZ in künftigen Globalbeiträgen berücksichtigt:
      1. Ermächtigt dies den Regierungsrat auch Mehrkosten über Globalkredite abzuwickeln?
      2. Sind aus Sicht des Regierungsrats beispielsweise die Laborquadranten MIDI, deren Ausbau gemäss LA-Protokoll vom 2. Juni 2020 an die Universität übertragen wurden (S. 85), ebenfalls betriebliche und finanzielle Folgekosten?
    3. «Daher muss die Universität in ihrem Antrag betreffend die Globalbeiträge 2026-29 die Mehrkosten einberechnen.»
      1. Inwiefern liegt in der Kompetenz des Regierungsrats von 2019 (gemäss Beschluss vom Dezember 2019), über den Globalkreditantrag der Universität für 2026-2029 zu entscheiden?
      2. Inwiefern ist der Finanzierungsdeal mit § 34 Abs. 3 des Universitätsvertrags vereinbar?
      3. Welche Massnahmen hat der Regierungsrat seither ergriffen, damit die Parlamente von Basel-Stadt und Basel-Landschaft dem Globalkredit 2026-2029 zustimmen werden?
  4. Interessenskonflikte
    1. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellungen 41, 51, 58 und 74, haben doch die regierungsrätlichen Vertretungen im Lenkungsausschuss wiederholt gegen die Vertretung der Universitätsrats gestimmt, wobei diese selbst zum Teil Mitglied des Universitätsrats waren?
    2. Wie stellt sich der Regierungsrat zur Aussage im Universitätsrat, die einen Rollenkonflikt bemängelte (S. 112 PUK-Bericht)?
  5. Mehrwert
    1. Wie begründet der Regierungsrat die Zurückweisung der Feststellungen 79, 94 und 95 und sieht der Regierungsrat beispielsweise eine funktionierende Rauchschutzdruckanlage («unvisierter Projektänderungsantrag 95») als Mehrwert an (siehe Anhang, Analyse Projektverzögerungen, 21.06.2021, S. 24)?
  6. Kommunikation ausserhalb der Ratsdebatte
    1. In einem Interview mit der Basler Zeitung konstatierte der Erziehungsdirektor Verantwortungsdiffusion:
      1. Waren die Aufgaben des Lenkungsausschusses im Pflichtenheft zu wenig genau definiert? Wie stellt der Regierungsrat sicher, dass diese inskünftig genauer definiert werden und wie?
      2. Wie konnte in dem 5er Gremium die Verantwortung diffundieren? Welche Massnahmen hat der Vorsitzende ergriffen, um dem vorzubeugen bzw. dies zu verhindern?
    2. Wie erklärt sich der Regierungsrat die Diskrepanz der öffentlichen Äusserungen zwischen den beiden Vorsitzenden des Lenkungsausschusses in derselben Zeitung? Und gab es Absprachen oder Unterstützung bei der Kommunikation mit ehemaligen Mitgliedern der Regierung? Wenn ja, welche?
    3. Warum ist der Regierungsratsbeschluss P215652 (Stellungnahme des Regierungsrats zur PUK Biozentrum) nicht auf der Webseite des Regierungsrats unter den Beschlüssen einsehbar?
    4. Warum ist der Regierungsratsbeschluss vom Dezember 2019 zum Bericht an die Finanzkommission nicht auf der Webseite des Regierungsrats unter den Beschlüssen aufgeführt?
  7. Rechtliche Fragen
    1. Die PUK Biozentrum hat keine rechtliche Einordnungen vorgenommen: Wird der Regierungsrat zur Verhinderung eines weiteren Reputationsschadens eine rechtliche Prüfung vornehmen, eine aufsichtsrechtliche Anzeige gegen sich selbst erwägen oder gemäss GOG § 29 eine ausserordentliche Staatsanwaltschaft mit einer Untersuchung betrauen?